Gerechteres Steuersystem: Mehr Rücksicht auf Tiere und Umwelt

Die erhöhte Besteuerung pflanzlicher Lebensmittel ist der veganen Bewegung schon lange ein Dorn im Auge. Nun hat der Verein Netzwerk Steuergerechtigkeit Reformvorschläge veröffentlicht, die unser System umkrempeln könnten.

Die Tücken des deutschen Steuersystems

Der Verein Netzwerk Steuergerechtigkeit hat die dritte Ausgabe seines Jahrbuches „Steuergerechtigkeit 2024“ veröffentlicht.  Unter anderem prangern die Autor*innen die unverhältnismäßige Besteuerung pflanzlicher Lebensmittel im Vergleich zu tierischen Produkten an: Während beispielsweise Fleisch aus der Massentierhaltung und Gummibärchen, die Gelatine enthalten, mit nur sieben Prozent besteuert werden, müssen die Verbraucher*innen für Fleischersatz und Sojadrinks die erhöhte Umsatzsteuer von 19 Prozent zahlen. Schließlich zählen diese zu den verarbeiteten Produkten. „Wer gesunde und nachhaltige Ernährung fördern will, kann nicht Zucker und Fleisch niedriger besteuern als Sojamilch und Fleischersatz“, erklären die Autor*innen.

Das Jahrbuch bietet einen systematischen Überblick über die Gerechtigkeitslücken im deutschen Steuersystem. Hinter den Autor*innen stehen unter anderem Gewerkschaften, kirchliche und entwicklungspolitische Organisationen, soziale Bewegungen, Umwelt- und Menschenrechtsverbände als auch wissenschaftliche Institutionen. Das Ziel der Publikation ist, aktuelle Probleme heraus- und mögliche Lösungsansätze vorzustellen. Auf diese Art und Weise soll das derzeitige Steuersystem gerechter und ökologischer werden. In der Summe beträgt das „Umsteuerungspotenzial“ dem Verein zufolge ungefähr 75 Milliarden Euro. Diese könnte der Staat einsparen, wenn er die sieben Reformvorschläge verwirklicht und Maßnahmen zum Ausgleich umweltschädlicher Steuerregeln vornimmt. Die Autor*innen betonen, dass davon sowohl Umwelt als auch Gesundheit profitieren können.

Ihre Ambitionen gleichen den Forderungen des Bürgerrats Ernährung des Deutschen Bundestages. Dieser hatte sich von September 2023 bis Januar 2024 versammelt, um sich zum Thema „Ernährung im Wandel. Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“ zu beraten. Er fordert eine Neudefinition des Begriffs Grundnahrungsmittel, worunter nicht nur Kuhmilch, sondern beispielsweise auch Pflanzendrinks zählen sollen. Demnach plädiert auch er für eine Senkung der Mehrwertsteuer solcher Lebensmittel auf sieben Prozent und möchte diese beispielsweise bei unverarbeitetem Obst und Gemüse aus biologischem Anbau aus der EU ganz streichen.

 

Steuern auf Kosten der Tiere

Der Deutsche Tierschutzbund begrüßt die Initiative des Vereins Netzwerk Steuergerechtigkeit und hofft auf eine baldige Reaktion der Politik. Der Verband setzt sich schon lange für einen niedrigeren Steuersatz auf pflanzliche Lebensmittel ein und kritisiert die bisher ausbleibende Reaktion der Bundesregierung. Vor allem die Tiere leiden enorm unter dem aktuellen Markt. Schließlich müssen sie für die tierischen Produkte sterben – ganz gleich, ob diese aus industrieller oder Bio-Haltung stammen. Konsument*innen, die bereits vegane Produkte kaufen, sollten für die tierfreundliche Variante nicht mit einer erhöhten Steuer benachteiligt werden. Im Gegenteil: Ein Staat, der sich für Tierschutz interessiert, muss auch in der Wirtschaft die entsprechenden Voraussetzungen ermöglichen. Denn die Wahl der Nahrungsmittel hängt für viele Menschen auch vom Kostenfaktor ab. Aus diesem Grund sollte der Staat nicht nur die einzelnen Bürger*innen zur Verantwortung ziehen, beim Einkauf auf tierfreundlichere Produkte zu achten, sondern im ersten Schritt dafür sorgen, dass sich jede*r pflanzliche Lebensmittel leisten kann.

 

Von Melanie Frommelius, Redakteurin beim Deutschen Tierschutzbund