Unsere Mutter spielt in unserem Leben eine zentrale Rolle – sie begegnet uns mit Liebe und hat uns einiges beigebracht. Als Babys und Kleinkinder sind wir abhängig von ihrer Zuneigung und Fürsorge und auch wenn wir erwachsen werden, bleibt die besondere Beziehung zu ihr erhalten. Doch leider hat nicht jede Mutter die Möglichkeit, ihr Kind zu begleiten und aufwachsen zu sehen – die weitaus meisten Muttertiere in der Landwirtschaft werden aus verschiedenen wirtschaftlich motivierten Gründen von ihrem Nachwuchs getrennt. Dabei würden viele von ihnen ein harmonisches Familienleben führen, wenn wir sie ließen.
Rinder stärken ihren Nachwuchs
Rinder beispielweise sind sehr soziale Tiere, weshalb die eigene Mutter für Kälber besonders wichtig ist. Nach der Geburt umsorgt und beschützt sie ihren Nachwuchs – wenn die Kälber ständigen Kontakt mit ihr haben, werden sie mutiger und trauen sich weiter in die Welt hinaus. Sie werden zu selbstbewussten Tieren, die Lust haben, ihre Umgebung zu entdecken, mit anderen Artgenossen zu spielen und energisch zu tollen und zu toben. Werden sie von ihrer Mutter isoliert, schwächt das ihre Selbstsicherheit, sie sind viel unruhiger und schrecken vor neuen Begegnungen zurück.
Vor allem Veränderungen in der Umgebung gegenüber verhalten sie sich skeptisch und weisen stressbedingt einen viel höheren Puls auf. Zudem kann die frühe Trennung von der Mutter zu Verhaltensstörungen wie beispielsweise dem Besaugen anderer Kälber führen. Nicht nur den Charakter stärkt die Nähe zur Mutter – die Kälber nehmen mehr Gewicht zu, wenn sie nicht von ihr getrennt sind und sind dementsprechend besser vorbereitet für das Leben. Durch diese Stärkung können die Vierbeiner auch kurze Trennungen besser überstehen. Das ist bei uns ganz ähnlich, denn bei einer sicheren Bindung zu unserer Mutter können wir auch als Kinder schon Phasen überstehen, in denen wir nicht bei ihr sind, sondern beispielsweise im Kindergarten.
Auch Hennen sind fürsorgliche Mütter – schon vor der Geburt bauen sie ein gemütliches Nest aus Federn, Heu und Blättern, in dem es die Küken warm und sicher haben. Wie auch Menschen während der Schwangerschaft schon mit ihrem Kind reden, nehmen auch Glucken durch die Eierschale bereits Kontakt zu ihrem Nachwuchs auf. Nachdem sie geschlüpft sind, bauen sie diese enge Beziehung weiter aus, indem sie einander nicht mehr von der Seite weichen.
So hat die Mutter die Gelegenheit, ihren Küken alles beizubringen, was für das Leben wichtig ist. Die Tiere lernen von ihr, welches Futter besonders gut für sie ist und werden von ihr vor Bedrohungen beschützt, indem sie die Kleinen mit Lauten von Gefahrenquellen wegführt. Wachsen sie ohne ihre Mutter auf, fehlen den Tieren diese wichtigen Erfahrungen. Die gemeinsame Zeit stärkt das Selbstbewusstsein, sodass die Tiere sicherer durch das Leben gehen können, gewappnet für schwierige Situationen. Ihnen ergeht es nicht anders als uns, denn die Kindheit ist eine prägende Zeit, die uns auf die Welt vorbereitet.
Menschen geraten in Stress, wenn ihre Kinder in Gefahr sind – nicht anders ergeht es Hühnern. Studien zeigen, dass ihr Puls in die Höhe schnellt, wenn ihre Küken einer Unannehmlichkeit, zum Beispiel einem milden Windstoß, ausgesetzt sind, und sie ihren Nachwuchs herbeirufen, um ihn wieder in Sicherheit zu bringen.
Schweine bauen gemütliche Nester
Schweine richten ihrem Nachwuchs ebenso eine schöne Kinderstube ein. Bei Menschen ist es ein Kinderbett und bei Tieren ein gemütliches Nest, das mit Ästen, Farnen und Blättern ausgepolstert wird. So werden die kleinen Ferkel gewärmt und vor Feinden beschützt. Außerdem werden sie durch diese Nähe auf ihre Mutter geprägt und finden leichter die Zitzen für die Nahrungsaufnahme. Nach ein bis drei Wochen im Nest kehren alle zum Familienverband zurück, der sich aus bis zu 20 Artgenossen zusammensetzt. Dort bleibt der enge Kontakt zwischen Muttersau und Ferkeln allerdings erhalten und äußert sich, indem die Mutter, ganz ähnlich wie bei Hühnern und auch uns Menschen, mit Lauten vor Gefahren warnt, ihren Nachwuchs anlockt oder zum Fressen ruft. Nur selten lässt sie andere Ferkel Milch trinken, was die starke Bindung zu ihrem eigenen Nachwuchs verdeutlicht. Am Geruch kann sie Ferkel voneinander unterscheiden und erkennen, welche ihre eigenen sind.
Kein Mutterglück in der Massentierhaltung
Leider sieht die Realität in der intensiven Tierhaltung meist anders aus. Muttersauen müssen für die Mast Ferkel wie am Fließband gebären und können diese anschließend nicht in einem gemütlichen Nest aufziehen, sondern müssen einen großen Teil ihres Lebens in Kastenständen verharren. Dort können sie nicht richtig aufstehen oder sich drehen – dementsprechend können sie ihrem natürlichen Mutterinstinkt nicht nachkommen und keine soziale Nähe zu ihrem Nachwuchs aufbauen. Auch Hennen dürfen in der intensiven Landwirtschaft nicht ihrem natürlichen Verhalten nachgehen. Sowohl in der Aufzucht als Masthuhn als auch in der Eiproduktion sterben viele Tiere an haltungsbedingten Krankheiten oder werden vorzeitig getötet. Milchkühen werden ihre Kälber in der Regel direkt nach der Geburt weggenommen. Diese Trennung vom Nachwuchs ist für die sozialen Tiere eine große Belastung und sie rufen ihren Kälbern oft noch tagelang nach.
Um den Tieren in der Landwirtschaft die Möglichkeit zu geben, liebevolle Mütter sein zu dürfen, müssen wir dem völlig aus dem Ruder gelaufenen landwirtschaftlichen System entgegenwirken. Jede Mahlzeit, die ohne tierische Produkte auskommt, ist dabei ein wichtiger Schritt. Wenn Du dich für die vegane Ernährungs- und Lebensweise interessierst, dann findest Du auf www.tierschutz-genießen.de und auf unserer Rezeptseite viele leckere Inspirationen.
Von Melanie Frommelius, Redakteurin beim Deutschen Tierschutzbund