Empfehlungen des Bürgerrates: Welche Rolle spielen die Tiere?

Der Bürgerrat des Deutschen Bundestages hat sich versammelt, um sich zu dem Thema Ernährung zu beraten. Die Empfehlungen der Teilnehmer*innen stehen nun fest. Doch wie viel Potenzial haben die Pläne zur Tierhaltung und tierfreundlichen Ernährung?

Der erste Bürgerrat des Deutschen Bundestages hat sich vom 29. September 2023 bis zum 14. Januar 2024 zum Thema „Ernährung im Wandel. Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“ beraten. Die Mitglieder werden zufällig aus der Bevölkerung ausgelost, um Lösungen für politische Probleme zu erarbeiten. Anschließend übergeben sie ihre Empfehlungen an den Bundestag. Nach neun Sitzungen haben die Teilnehmer*innen nun ihre Ziele ausgesprochen. Vier der neun Aspekte streifen auch das Thema „Tierwohl“.

Zwei neue Label

So spricht sich der Bürgerrat für ein verpflichtendes staatliches Label aus. Dieses soll auf allen in der Europäischen Union verkauften Produkten zu sehen sein. Es soll Verbraucher*innen zeigen, welche Auswirkungen die Lebensmittel auf „Klima, Tierwohl und Gesundheit“ haben. Die Kriterien für den Punkt „Tierwohl“ sollen sich an dem derzeitigen Tierhaltungskennzeichen orientieren. Passend dazu schlagen die Teilnehmer*innen ein weiteres ergänzendes Tierwohllabel vor: Von der Geburt, der Aufzucht, der Haltung und des Transports bis hin zu der Schlachtung des Tieres sollen alle Bereiche auf tierischen Produkten transparent ersichtlich sein.

 

Neudefinition von Grundnahrungsmitteln

Des Weiteren fordert der Bürgerrat eine neue Definition des Begriffes „Grundnahrungsmittel“: Vegane Produkte wie Pflanzendrinks fallen bisher nicht in diese Kategorie – im Gegensatz zu Kuhmilch – was sich zukünftig ändern soll. Denn als verarbeitete Produkte werden diese mit 19 Prozent besteuert. Tierische Produkte wie Fleisch und Kuhmilch sind zu dem vergünstigten Steuersatz von sieben Prozent erhältlich. Wenn es nach dem Bürgerrat geht, sollte dies auch für Milch- sowie Fleischersatzprodukte sowie alle nach Bio-Standard erzeugten Produkte gelten. Komplett entfallen soll die Mehrwertsteuer bei den folgenden Lebensmittelgruppen: unverarbeitetes sowie tiefgefrorenes Obst und Gemüse aus der EU in Bio-Qualität, Obst und Gemüse der Klasse 2, die also nicht der optischen Norm entsprechen, Hülsenfrüchte, Nüsse und Vollkorngetreide sowie Mineral- und Tafelwasser.

 

Fleisch soll teurer werden

Darüber hinaus soll Fleisch höher besteuert werden, sollte es nicht zu einer Tierwohlabgabe kommen. Diese ist ein Vorschlag der Politik: Der Aufpreis auf tierische Produkte soll in den Umbau von Ställen zugunsten der Tiere fließen. Ähnliche Pläne hegt auch der Bürgerrat: Eine zweckgebundene Verbrauchsabgabe zur Förderung des „Tierwohls“ soll „den Umbau der artgerechten Nutztierhaltung“ finanzieren. Konkret bedeutet das, dass Landwirtinnen und Landwirte kontinuierlich eine „Tierwohlprämie“ erhalten, wenn sie die Haltungsform verbessern. Je besser die Haltungsform ist, desto höher fällt die Prämie aus.

Potenzial für die Zukunft der Tiere

Der Deutsche Tierschutzbund begrüßt die Empfehlungen des Bürgerrates, die in Richtung Tierschutz gehen. Allerdings lassen die Formulierungen vermuten, dass die Tiere in der Landwirtschaft nicht im Fokus der Zielsetzungen stehen. Vielmehr stellen die Teilnehmer*innen die Themen Gesundheit und Klima voran. Die Punkte, die sich explizit um das Wohlergehen der Tiere drehen, behandeln lediglich einen Umbau und eine Verbesserung der Haltung, jedoch nicht den Abbau der Tierindustrie. Aus Tierschutzsicht ist es von zentraler Bedeutung, die vegane Ernährung noch deutlicher hervorzuheben und die Probleme rund um die Tierhaltung klarer aufzuzeigen.

Positiv zu bewerten ist die Neudefinition der Grundnahrungsmittel. Schon lange bemühen sich Veganer*innen und Tierschutzorganisationen um die geringere Besteuerung pflanzlicher Alternativen. Die Empfehlung des Bürgerrats ist progressiv und wegweisend: Ein günstigerer Preis könnte einen neuen Kaufanreiz und für mehr Einkommensschichten einen Zugang zu pflanzlichen Produkten schaffen. Auch der ambitionierte Plan, die Mehrwertsteuer auf unverarbeitete pflanzliche Produkte auf null Prozent abzusenken, sendet das richtige Signal an die Regierung, um tierfreundliche Nahrung attraktiver zu machen.