BMEL Ernährungsreport 2023: Das tierfreundliche Deutschland?

Der Ernährungsreport des Bundesministeriums für Landwirtschaft für 2023 ist erschienen. Die Ergebnisse zeigen, dass das Interesse der Bevölkerung für Tierschutz und pflanzliche Alternativen wächst. Doch die Zahlen sind auch kritisch zu sehen.

Die Beliebtheit pflanzlicher Lebensmittel steigt

Das Bewusstsein für eine tier- und klimafreundliche Ernährung steigt – das zeigen die Ergebnisse des nun erschienenen Ernährungsreports 2023 des Bundesministeriums für Landwirtschaft, kurz BMEL. Dieser fasst die Ernährungsgewohnheiten der rund 1.000 Befragten zusammen, die das Meinungsforschungsinstitut forsa im Zeitraum vom 15. bis zum 26. Mai 2023 telefonisch befragt hat.  In Bezug auf die vegetarische und vegane Ernährungsweise dokumentiert der Report unter anderem, dass zu Beginn der Befragungen im Jahr 2015 noch 34 Prozent der Teilnehmer*innen täglich Fleisch verzehrten – aktuell sind es 20 Prozent. Passend dazu steigt der Anteil der Personen, die täglich vegetarische und vegane Alternativen essen. Vor allem die jüngeren Befragten setzen auf tierfreundlichere Produkte: Bei 18 Prozent der 14- bis 29-Jährigen und bei zehn Prozent der 30- bis 44-Jährigen landen sie täglich auf dem Teller. Bei den 45- bis 59-Jährigen sind es neun Prozent und bei den über 60-Jährigen fünf Prozent. So haben 53 Prozent vegetarische und vegane Alternativen mindestens einmal gekauft. Der Anteil derer, die Alternativen noch nie gekauft haben, ist seit 2021 von 57 auf 47 Prozent gesunken. Als Hauptgrund für das Interesse an den Produkten nannten 73 Prozent der Befragten Neugier, für jeweils 63 Prozent der Teilnehmer*innen sind das Klima, der Tierschutz und der Geschmack entscheidend. 46 Prozent der Befragten leben flexitarisch, schränken den Fleischkonsum also bewusst ein, acht Prozent sind Vegetarier*innen und zwei Prozent ernähren sich vegan. Ein wichtiger Hinweis hier ist, dass der Begriff „flexitarisch“ nicht definiert ist und auch bedeuten kann, dass Menschen nur noch sechsmal statt siebenmal die Woche Fleisch essen.

 

Die Haltungsbedingungen der Tiere spielen eine Rolle beim Einkauf

Laut Report ist es 88 Prozent der Befragten wichtig, dass Eier aus ihrer jeweiligen Region kommen. Bei Fleisch- und Wurstwaren legen 78 Prozent und bei Milch und Milcherzeugnissen 72 Prozent der Teilnehmer*innen Wert darauf. Außerdem zeigt sich, dass sie dazu bereit wären, für „Tierwohl“ mehr zu zahlen – kostet ein Kilogramm Fleisch aus herkömmlicher Herstellung 10 Euro, so würden 13 Prozent der Befragten bis zu 12 Euro für ein Kilogramm Fleisch von Tieren zahlen, die besser gehalten werden, als es das Gesetz vorschreibt. 44 Prozent würden dafür bis zu 15 Euro, 24 Prozent würden bis zu 20 Euro und elf Prozent mehr als 20 Euro zahlen.

Laut ihren Angaben interessieren sich die Beteiligten insbesondere für die Haltungsbedingungen der Tiere – 85 Prozent gaben an, dass ihnen dieses Thema wichtig sei. 65 Prozent der Teilnehmer*innen achten beim Einkaufen auf ein Tierwohllabel, das Fleisch „aus besonders tiergerechter Haltung“ kennzeichnet. 48 Prozent möchten an der Verpackung ablesen können, ob ein Produkt vegetarisch oder vegan ist. Passend zu diesen Zahlen sind 91 Prozent der Beteiligten der Ansicht, dass die Politik sich mehr für eine artgerechtere Tierhaltung einsetzen soll. 87 Prozent stimmen für eine verpflichtende, staatliche Kennzeichnung der Tierhaltung bei allen Fleisch- und Milchprodukten in Handel und Gastronomie.

Ein kritischer Blick auf die Zahlen

Das wachsende Bewusstsein für Tierschutzthemen und das steigende Interesse für pflanzliche Alternativen ist aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes zu begrüßen. Dennoch sind die Zahlen des Reports mit Vorsicht zu genießen. „Weniger Menschen essen täglich Fleisch – das ist eine erfreuliche Entwicklung und doch bietet der Report des BMEL keine genaueren Zahlen darüber, wie oft die Befragten zu tierischen Produkten greifen. Auch die Auskunft über die Beteiligten, die schon mal zu veganen oder vegetarischen Alternativen gegriffen haben, ist offen für Interpretation und liefert keine Information darüber, ob sie ihre Ernährungsweise geändert haben. Laut Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft geht der Fleischkonsum in Deutschland aber zum Glück zurück“, so Dr. Isabel Knößlsdorfer, Referentin für Veganismus beim Deutschen Tierschutzbund. Zudem werden die Begriffe „vegetarisch“ und „vegan“ beide unter der Unterschrift „pflanzliche Alternativen“ aufgeführt und als gleichwertiger Ersatz für tierische Produkte verwendet. Dabei ist es sehr wichtig, zwischen diesen beiden Ernährungsweisen zu unterscheiden. Schließlich verbirgt sich hinter „vegetarisch“ der Verzehr von Eiern und Milch – die Herstellung dieser Produkte verursacht ebenso viel Tierleid wie die Produktion von Fleisch.

Insgesamt wirken die Zahlen beschönigend und vermitteln den Eindruck, die deutsche Bevölkerung sei sehr bemüht, den Tieren in der Landwirtschaft ein besseres Leben zu ermöglichen. Dabei verharren in der industriellen Tierhaltung nach wie vor unzählige Tiere und landen schließlich als Billigware auf den Tellern der Deutschen. In diesem Zusammenhang stellt der Report heraus, dass 65 Prozent der Befragten bei Fleisch auf das Tierwohllabel achten – welches konkret, wird nicht erwähnt. Darunter können demnach auch niedrige Stufen fallen, die für insignifikant mehr Tierschutz sorgen. Zwar geben die Teilnehmer*innen an, sie würden mehr Geld für Fleischprodukte ausgeben, doch dabei handelt es sich nur um theoretische Aussagen. Die gestiegenen Lebensmittelpreise der letzten Monate haben deutlich gezeigt, dass für die meisten Menschen der Preis das vorrangige Kriterium zur Kaufentscheidung ist. Wer wirklich den Tieren in der Landwirtschaft helfen möchte, setzt am besten auf die vegane Ernährung – denn das ist der konsequenteste Weg zu mehr Tierschutz.