Warum ist Landwirtschaft meist nicht vegan?
Vegan einzukaufen ist bei der Vielfalt an Gemüse- und Obstsorten, Nüssen und Hülsenfrüchten sowie den zahlreichen pflanzlichen Alternativen heutzutage so einfach wie noch nie. Gerade landwirtschaftliche Erzeugnisse bilden die Basis für eine Vielzahl an veganen Gerichten. Während Obst, Gemüse und Co. natürlich vegan sind, ist es der Anbau meist nicht. Im Gegenteil: Ob Bioprodukte oder konventionelle Erzeugnisse, für den Anbau kommen meist tierische Dünge- und Betriebsmittel zum Einsatz. Es gehört zur Arbeit von Landwirt*innen, tierische Gülle und Schlachtabfälle auf ihren Feldern zu verteilen. Diese Vorgehensweise ist gang und gäbe, da unser gesamtes Lebensmittelsystem eng mit der tierhaltenden Industrie verknüpft ist. Visionärinnen und Visionäre arbeiten allerdings schon daran, die derzeitige Praxis ordentlich auf den Kopf zu stellen und haben Anbaumethoden ins Leben gerufen, die gänzlich ohne tierische Bestandteile auskommen.
Insbesondere Leguminosen – auch Hülsenfrüchte genannt – verfügen als Zwischenfrüchte über immenses Potenzial, denn sie besitzen ein ungeahntes Talent: Sie gehen eine Symbiose mit Knöllchenbakterien ein, die Stickstoff aus der Luft binden. Diesen stellen sie den angebauten Pflanzen in einer für sie nutzbaren Variante zur Verfügung. Ein Teil bleibt sogar für die darauffolgende Kultur übrig. Auf diese Weise gehen keine Nährstoffe verloren – ganz im Gegensatz zur Düngung mit tierischen Bestandteilen. Ein echter Kreislauf also.
In diesen fügen Landwirtinnen und Landwirte auch Ernterückstände oder Abfälle der Lebensmittelproduktion bei. Stroh, Braunalgen, Getreidespelzen und Blätter enthalten zum Beispiel wichtige Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor, die sich wunderbar als Dünger eignen. Für eine Methode, die sich „Cut and Carry“ nennt, bauen die Produzent*innen auf einem zusätzlichen Feld Kleegras an, das sie auf das ursprüngliche Feld tragen und dort als Dünger verteilen.
Was sind die Vorteile biozyklisch-veganer Landwirtschaft?
Die meisten Landwirtinnen und Landwirte setzen auf eine biozyklisch-vegane Landwirtschaft, weil sie ihre eigenen Werte und ihre Arbeit in Einklang bringen möchten. Aus Respekt für die Tiere entscheiden sie sich für eine Anbauweise, die ohne ihre Ausbeutung auskommt. Darüber hinaus ist sie nachhaltig, denn im Gegensatz zu der energieintensiven Industrieproduktion steht die Natur bei der biozyklisch-veganen Landwirtschaft im Fokus: Der Anbau richtet sich nach den Ansprüchen des Bodens – nicht umgekehrt. Durch den entstehenden Kreislauf und die konstante ressourcenschonende Rückführung von Nährstoffen profitiert die Umwelt. Eine Zunahme der biozyklisch-vegan bewirtschafteten Fläche hätte langfristig zur Folge, dass Landwirtinnen und Landwirte mehr Humuserde einsetzen würden und die globale Humusmenge so anwachsen würde. Doch nicht nur dieser Aspekt würde zu einer Reduktion des CO2-Gehalts in der Atmosphäre führen: Würde die „Nutztier“haltung in der Landwirtschaft wegfallen, so würden bis zu 70 Prozent weniger Treibhausgase bei der Nahrungsmittelproduktion anfallen. Schließlich stammt der größte Teil der ernährungsbezogenen Emissionen aus der Tierhaltung.
Auch die Artenvielfalt profitiert von der biozyklisch-veganen Anbauweise: Die Landwirtinnen und Landwirte legen unter anderem Stein- oder Totholzhaufen für Amphibien, Reptilien, Igel oder Füchse an und bauen beispielsweise Blühstreifen in die Landschaftsgestaltung ein. Abgesehen davon umgeht diese Form der Landwirtschaft die Nitrat-Belastung, die ein unerwünschter Nebeneffekt der konventionellen Anbauweise ist. Da tierischer Dünger wasserlöslich ist, gelangt dieser nicht nur zur Pflanze, sondern ungefiltert in den gesamten Boden und in unser Grundwasser und kann negative gesundheitliche Folgen haben.
Darüber hinaus hat die biozyklisch-vegane Anbauweise auch Vorteile für uns Menschen, denn dank der hohen Fruchtbarkeit der Erde kann darauf ausreichend Nahrung wachsen. „Eine Studie in Großbritannien hat gezeigt, dass die Erträge eines veganen Systems im Allgemeinen mit den durchschnittlichen ökologischen Erträgen im Vereinigten Königreich vergleichbar sind oder diese übertreffen. Das liegt unter anderem daran, dass wir bei einem biozyklisch-veganen Anbau alle verfügbaren Ackerflächen für den menschlichen Verzehr nutzen würden. Aktuell dienen 57 Prozent dem Futtermittelanbau, weltweit sind es im Durchschnitt ganze 40 Prozent der Ackerflächen“, so Dr. Isabel Knößlsdorfer, Referentin für Veganismus beim Deutschen Tierschutzbund. Die bio-vegane Landwirtschaft könnte außerdem kleinbäuerliche Betriebe im globalen Süden unterstützen. Dank der Kreislaufwirtschaft könnten die ansässigen Landwirtinnen und Landwirte lokal verfügbare Ressourcen nutzen, sie könnten die Bodenfruchtbarkeit steigern, Erträge langfristig und nachhaltig gewährleisten und sie wären wirtschaftlich nicht mehr so abhängig von Großkonzernen, von denen sie Pestizide, Düngemittel und Saatgut beziehen. Auch hierzulande könnte diese Anbauweise dem Höfesterben entgegenwirken.
Wo sind biozyklisch-vegane Lebensmittel erhältlich?
Der biozyklisch-vegane Anbau ist eine Nische – noch. Zwar ist die Haltung von Tieren und die intensive Nutzung von Böden nach wie vor tägliche Praxis, doch die Betreiber*innen rein veganer Höfe glauben an eine Zukunft gänzlich ohne Tierhaltung. Einer von ihnen ist Clemens Hund: Er war der erste Landwirt in Deutschland, der auf den biozyklisch-veganen Anbau umgestellt hat. Im Porträt stellen wir den beeindruckenden Visionär in DU UND DAS TIER, das Magazin des Deutschen Tierschutzbundes, vor, veranschaulichen die Hürden, aber auch das immense Potenzial der Landwirtschaft ohne „Nutztiere“. Produkte wie seine sind in ausgewählten Online-Shops erhältlich. Zusätzlich lohnt es sich, in Bioläden und Supermärkten die Augen nach den entsprechenden Kennzeichnungen offen zu halten. Außerdem tummeln sich die biozyklisch-veganen Produkte auch auf manchen Wochenmärkten.
Bis sie leichter zugänglich sind, lebst Du selbstverständlich auch vegan, wenn Du Obst, Gemüse und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse aus konventionellem oder Bio-Anbau kaufst. In einem System, das auf der Ausbeutung von Tieren basiert, kannst du den sogenannten Nutztieren so Deinen Respekt und Dein Mitgefühl zeigen. Wenn Du noch mehr über die praktische Seite der biozyklisch-veganen Landwirtschaft erfahren möchtest, dann wirf einen Blick in DU UND DAS TIER. Alina Gieseke, Projektassistentin beim Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau, verrät uns im Interview unter anderem wie der Umstieg auf die rein pflanzliche Landwirtschaft praktisch funktioniert, wie viele Betriebe in Deutschland bereits so arbeiten und welche Wünsche sie an die Politik hat.
Von Melanie Frommelius, Redakteurin beim Deutschen Tierschutzbund