Warum Menschen Tiere essen

Die meisten Menschen lieben Tiere und würden ihnen nicht absichtlich schaden. Doch wie passt das mit unserer Ernährung zusammen? Bei vielen Menschen stehen tierische Produkte nach wir vor regelmäßig auf dem Speiseplan. Weshalb essen wir manche Tiere, während andere unsere geliebten Heimtiere sind? Und warum essen wir überhaupt Tiere?

Was ist Karnismus?

Veganismus ist den allermeisten Menschen inzwischen ein Begriff: Er beschreibt die Lebensweise von Menschen, die meist aus ethischen Gründen keine Tiere verzehren, tragen und nutzen – sie leben vegan. Das Gegenteil dieser Bewegung ist hingegen kaum bekannt: Der Karnismus. Dieser Ausdruck beinhaltet den Wortstamm „Carn“, der Fleisch bedeutet, sowie die Endung „ismus“, welche auf ein Glaubenssystem hindeutet. Während Fleischessen oder Pflanzenessen Verhaltensweisen sind, stehen hinter Karnismus und Veganismus persönliche Überzeugungen. Der Begriff Karnismus wurde 2009 von der US-amerikanischen Psychologin und Vegan-Aktivistin Melanie Joy geprägt, die damit erstmals auf die unsichtbare Ideologie aufmerksam machte, die unsere Gesellschaft prägt und kaum hinterfragt wird. Der Begriff bezeichnet das System, in dem der Großteil der Bevölkerung es normal, natürlich und notwendig findet, Tiere zu verzehren. Schließlich ist es doch völlig normal, Tiere zu töten, um sie zu Lebensmitteln zu verarbeiten. Oder?

Der Erhalt eines zerstörerischen Glaubenssystems

Der Konsum tierischer Produkte ist gesellschaftskonform. Deshalb und aufgrund unserer Sozialisierung ist es für die meisten von uns schwer zu erkennen, dass wir über eine Entscheidungsfreiheit verfügen. Wer in einer Gesellschaft aufwächst und lebt, die den Fleischkonsum als Norm vorgibt, hält den Verzehr von Tieren für eine Selbstverständlichkeit. Es existiert zunächst kein Anreiz, das eigene Verhalten und die eigene Ernährungsweise zu hinterfragen. Denn dieses weit verbreitete und dominante System ist zu den meisten von uns als Menschenverstand und nicht nur als persönliche Meinung durchgedrungen.

Wenn wir auf die Welt kommen, beeinflussen in den allermeisten Fällen unsere Eltern unsere Ernährungsweise. Mit dieser werden wir groß und zweifeln daran zunächst nicht. Die Entscheidung, Tiere zu essen, beruht daher auf einer unbewussten Zustimmung, die wir geben, bis wir uns dagegen entscheiden. Die meisten Menschen essen Tiere nicht, weil sie es müssen oder wirklich wollen. Gerade in Industrienationen ist der Verzehr tierischer Produkte nicht mehr notwendig. Vielmehr wurden sie durch ein zerstörerisches Glaubenssystem konditioniert, das außerhalb des Bewusstseins liegt und daher ohne bewusste Zustimmung funktioniert. Das hat für die Tiere fatale Folgen: Sie müssen dafür sterben.

Doch wir können umdenken. Sobald wir das Wissen haben, wie es den Tieren in der landwirtschaftlichen Tierhaltung geht, wie sehr sie leiden, können wir etwas verändern. Wir verfügen über die freie Wahl, uns gegen die karnistische und für die vegane Lebensweise zu entscheiden.

 

Abwehr statt Umdenken

Das Wissen um das Leid der sogenannten Nutztiere ist heute allgegenwärtig. Und wohl kaum ein Mensch würde einem Tier freiwillig Leid zufügen. Doch warum verzehren so viele von uns dennoch nach wie vor regelmäßig Fleisch und weitere tierische Produkte? Im Alltag neigen wir dazu, die Norm am Leben zu erhalten, indem wir Abwehrmechanismen nutzen. Eine Mischung aus Leugnung – „Den Tieren geht es doch gar nicht so schlecht“ –, Rechtfertigungen – „Tiere zu essen ist normal, natürlich und notwendig“ – und Objektifizierung – „Tiere fühlen nicht so wie wir“ – sorgt dafür, dass wir unbewusst Ausnahmen für das machen, was wir normalerweise als unethisch erachten würden Der Begriff „Meat Paradox“ beschreibt diese kognitive Dissonanz, die widersprüchliche Handlung und Moral umfasst. Du kannst die genaue Definition in diesem Artikel nachlesen. Dieses Paradox ist so stark und der Karnismus so tief in unserer Gesellschaft verankert, dass beide zusammen als Schutzschild gegen einen anderen Umgang mit Tieren dienen. Aus diesem Grund erfahren Veganer*innen viel Anfeindung, obwohl sie etwas Gutes tun.

Wen wir lieben und wen wir essen

Ein besonders eindringliches Beispiel für einen solchen Schutzschild ist der Speziesismus. Der Psychologe Richard Ryder hat den Ausdruck 1970 erstmals in einem selbst herausgegebenen Flugblatt in Oxford verwendet. Darin schreibt er darüber, dass biologisch gesehen kein „magischer“ Unterschied zwischen Menschen und Tieren existiere und beide dieselbe moralische Behandlung verdient haben. Der australische Philosoph Peter Singer antwortete ihm auf sein Flugblatt und veröffentlichte 1975 das Buch „Animal Liberation“, das den Begriff bekannt machte. Seitdem beschreibt der Begriff Speziesismus den Umstand, dass bestimmte Tiere auf Basis ihrer Zugehörigkeit zu einer anderen Art abgewertet werden. Damit lässt sich erklären, warum es hierzulande „normal“ ist, Rinder, Schweine und Hühner zu essen, während Katzen und Hunde als Haustiere umsorgt werden. Die jeweilige Zuordnung ist jedoch stark kulturell geprägt und fällt auf den unterschiedlichen Kontinenten dementsprechend anders aus. So ist es in Teilen Asiens nach wie vor gang und gäbe Hunde und in Südamerika Meerschweinchen zu verzehren – in Europa ein No-Go. Was überall gleich ist: Die Differenzierung zwischen „essbaren“ und „nicht essbaren“ Tieren. Auch das ist Teil des Karnismus, der den Speziesismus begünstigt – schließlich füttert dieser die Annahme, dass die Nutzung von bestimmten Tieren völlig selbstverständlich sei.

 

Die Diskriminierung von Tieren

Speziesismus ist also eine Diskriminierungsform, die bestimmte Tiere zu Opfern macht. Ryder kritisiert mit dem Begriff den Menschen, der sich als Spezies über andere stellt und das Recht beansprucht, andere, fühlende Lebewesen zu nutzen und auszubeuten. „Ganz konkret sehen wir das an der Tierhaltung: Obwohl längst bewiesen ist, dass die Tiere in der Landwirtschaft Schmerzen empfinden und den Wunsch haben, zu leben, nutzen wir sie für tierische Produkte. Dass das Leid einiger Tiere weniger stark gewichtet wird, als das anderer Tiere oder das von Menschen, ist speziesistisch und lässt sich moralisch nicht rechtfertigen. Singer schreibt in seinem Buch „Praktische Ethik“ von 1993 dazu, dass Menschen das Prinzip der Gleichheit beim Speziesismus ähnlich wie beim Rassismus oder Sexismus verletzen, indem sie eigene Interessen als höherwertig und überlegen betrachten.

Eigene Denkmuster hinterfragen

Wer die Tierhaltung schon einmal kritisch betrachtet hat, ist bereits den ersten Schritt gegangen, um dem Karnismus auf die Spur zu kommen. Ein Bewusstsein für die vielen selbstverständlichen täglichen Gewohnheiten zu entwickeln, ist wichtig, um den Tieren näherzukommen. Schließlich essen die meisten von uns dreimal am Tag. Wenn wir uns vor Augen führen, wer da auf dem Teller liegt, verstehen wir, wie sehr wir die Perspektive der Tiere übergangen haben. Es ist nicht notwendig, von einem auf den anderen Tag die gesamte Lebensweise auf den Kopf zu stellen. Schritt für Schritt immer mehr Informationen über die Tierhaltung und die Tiere zu sammeln, hilft dabei, sich ein klares Bild zu machen und eigene Verhaltensmuster zu erkennen. Wer im Freundeskreis erfahrene Veganer*innen hat, kann das Gespräch suchen, sich Tipps geben lassen und gemeinsam die pflanzliche Ernährung erkunden. Schließlich ist es keine Bürde, die Lebensweise umzustellen – im Gegenteil. Sich für neue Perspektiven, die nicht ausschließlich die eigenen sind, zu öffnen, kann sehr bereichernd sein. Wer Tiere liebt, wird schnell merken, dass der Einklang aus Verhalten und Mitgefühl ein sehr schönes Gefühl ist. Teil der veganen Bewegung zu sein bedeutet, sich für andere einzusetzen und das ohne Verzicht. Denn die zahlreichen kulinarischen Möglichkeiten stehen den tierischen Produkten in nichts nach. Wir fördern sogar unsere Kreativität, indem wir das Kochen und Backen auf eine andere Art und Weise erlernen und in dem Prozess auch andere mit der tierfreundlichen Lebensweise anstecken.

Viele Ideen findest Du auf unserer Rezeptseite und in „Tierschutz genießen“, dem Kochbuch des Deutschen Tierschutzbundes, sowie in seinem süßen Pendant „Tierschutz genießen – Das Backbuch“. Solltest Du Dir noch nicht ganz sicher sein, welche pflanzlichen Zutaten Du zu Hause haben solltest, dann kannst Du in „Tierschutz genießen – Die Vorratskammer“ nachschauen. In „Tierschutz genießen – Die Vorratskammer Rezepte“ findest du die dazu passenden leckeren Kreationen. Diese beiden Broschüren und unser Küchen-Guide, den Du als Übersicht in Deine Küche hängen kannst, stehen Dir als kostenlose Downloads zur Verfügung.