Ein Herz für Rinder

Viele Menschen halten Rinder bloß für Tiere in der Landwirtschaft, die uns Fleisch und Milch liefern. Dabei sind sie faszinierende und einfühlsame Wesen, die uns noch einiges beibringen können.

Ach du heilige Kuh

Im Hinduismus werden sie angebetet, bei uns landen sie vor allem auf dem Teller. Der Umgang mit Rindern könnte unterschiedlicher nicht sein. Doch wie wäre es, wenn wir uns einfach mal mit diesen wundervollen Tieren anfreunden würden?

Während Rinder bei uns vor allem Fleisch- und Milchlieferanten sind, gelten sie im Hinduismus als heilig. Wusstest Du, dass sie wegen ihrer besonderen Beziehung zu der hinduistischen Gottheit Krishna verehrt werden? Dem Glauben nach war er Rinderhirte. Zudem steht die Kuh symbolisch für die Mutter, die Menschen mit Milch, Joghurt und Ghee versorgt. Außerdem wird ihr Urin für religiöse Rituale und Kuhfladen als Düngemittel verwendet.

 

Grasen mit den besten Freunden 

Obwohl Schlachtungen von Rindern in Indien offiziell verboten sind, werden sie dennoch oft illegal durchgeführt oder die Tiere zur Schlachtung ins benachbarte Pakistan transportiert. Von „heilig“ ist hier keine Spur. Auch unser Verhältnis zum Rind ist eher pragmatischer Natur, denn in der Gesellschaft betrachten wir es leider als sogenanntes Nutztier. Das weibliche Rind, die Kuh, dient so primär der Milchproduktion. Dabei lohnt es sich, das Tier kennenzulernen, denn es ist uns viel ähnlicher, als wir vielleicht denken. Der sanftmütige Vierbeiner sehnt sich nämlich nach denselben Dingen wie wir: nach gutem Essen und tiefen Freundschaften. Diese liebevollen und spannenden Zeitgenossen wissen vor allem Geselligkeit besonders zu schätzen. Innerhalb einer Herde existieren zwar strenge Hierarchien, doch wenn diese einmal geregelt wurden, geht es in der Gruppe sehr friedlich und sozial zu.

Untersuchungen haben ergeben, dass Kühe tiefe und beständige Freundschaften zu anderen Rindern in der Herde pflegen, mit denen sie gemeinsam ihren Lieblingsbeschäftigungen nachgehen. Die Tiere haben äußerst unterschiedliche Persönlichkeiten und können sowohl Objekte, Menschen als auch andere Rinder voneinander differenzieren. Wie auch bei uns, stabilisieren feste Bindungen ihre Psyche und ihre Ausgeglichenheit.

 

 

 

Studien zeigen, dass Kälber, die isoliert aufwachsen, viel unruhiger und unsicherer sind als diejenigen, die gemeinsam mit anderen aufwachsen. Einzeln aufgezogene Kälber schrecken vor neuen Begegnungen eher zurück und können mit Veränderungen schlechter umgehen. Wachsen sie mit anderen Kälbern gemeinsam auf, können sie miteinander spielen und so zum Beispiel ihre Kräfte messen. Besonders, wenn Kälber auch mit älteren Rindern und Kühen zusammenleben, lernen sie von diesen, indem sie deren Verhalten beobachten und nachmachen.

Das gemeinsame Grasen verbringen die Pflanzenfresser in einer Herde vor allem zusammen, denn wer isst schon gerne allein – erst recht, wenn es so viel Zeit in Anspruch nimmt? Schließlich durchläuft das Futter bei ihnen, wie bei allen Wiederkäuern, vier Mägen. Nur so kann das Rind die notwendigen Nährstoffe aus der pflanzlichen Nahrung aufnehmen. Neben dem Fressen verbringen die sozialen Tiere auch die Zeiten, in denen sie ruhen, am liebsten gemeinsam.

 

Rinder brauchen Vertrauen

Ein weiterer wichtiger Punkt auf der Tagesordnung ist die Fellpflege durch gegenseitiges Belecken. Eine wichtige Tätigkeit, mit der die Rinder die Beziehungen untereinander festigen. Vertrauen ist den Vierbeinern wichtig. Aus diesem Grund findet die gegenseitige Fellpflege laut einer Studie auch viel öfter statt, wenn Rinder in einer stabilen Gruppe aufgewachsen sind, als wenn sie von befreundeten Artgenossen getrennt und Gruppen oft durchmischt werden.

 

Tierliebe fängt beim Essen an

In freier Wildbahn können wir Rindern nicht mehr begegnen, denn die ursprüngliche Form des Hausrinds, der Auerochse, ist längst ausgestorben. Auch von einem Leben auf der Weide können die meisten Rinder heute nur träumen. Vielmehr werden sie in intensiver Massentierhaltung auf engem Raum gehalten, von familiärem Zusammensein keine Spur. Generell werden die verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen der Rinder ignoriert.

Kühe werden künstlich besamt und anschließend von ihrem Kälbern getrennt, nur damit wir ihre Milch trinken können. Dann müssen die Kälber die ersten Wochen ihres Lebens häufig nicht nur getrennt von ihren Müttern, sondern komplett einzeln verbringen, sodass sie nicht mit Gleichaltrigen spielen können. Auch ihr natürliches Alter von 20 Jahren können sie nicht erreichen, denn davor werden sie geschlachtet, damit Menschen ihr Fleisch essen können oder, weil ihre Leistung nicht mehr den Ansprüchen des Systems entspricht.

Jede*r von uns kann etwas für die Rinder in der Landwirtschaft tun: Mit der Umstellung auf eine pflanzliche Ernährung oder zumindest regelmäßige vegane Mahlzeiten: Weil jede Mahlzeit zählt. Inspirationen für leckere Rezepte findest Du auf www.tierschutz-genießen.de und auf unserer Rezeptseite.

Von Melanie Frommelius, Redakteurin beim Deutschen Tierschutzbund