Acht Mythen zum Thema Milch

Wer groß und stark werden möchte, soll viel Milch trinken. Diese ist schließlich gut für die Knochen. Das will uns zumindest die Werbung seit Jahrzehnten weismachen. Kuhmilch genießt seit jeher einen guten Ruf. Doch was steckt wirklich hinter dem tierischen Produkt? Wir klären über die geläufigsten Mythen rund um Milch auf.

1. Kühe geben sowieso immer Milch.

Um ständig Milch produzieren zu können, müssen Kühe ungefähr jedes Jahr ein Kalb zur Welt bringen. Das bedeutet konkret, dass die Milch eigentlich ihrem Nachwuchs dient. Die auf Hochleistung gezüchteten Tiere geben zwar mehr Milch, als ihre Kälber benötigen, doch nur, weil sie einem ausbeuterischen System dienen müssen. Dazu gehört auch, dass der Nachwuchs früh von seiner Mutter getrennt wird, was für die Kuh sehr belastend ist. Ihre Trauer äußert sich oft durch tagelanges Rufen. Würde die Kuh ihrem natürlichen Verhalten entsprechend leben können, würde sie ihr Kälbchen bis zu einem Jahr lang säugen und eine enge Bindung zu ihm aufbauen. Dementsprechend ist Milch nicht immer einfach so da – sie hat einen Zweck und ist eigentlich nicht für uns Menschen gedacht.

2. Für Milchprodukte sterben und leiden keine Tiere.

In der Tierhaltung werden Milchkühe auf eine maximale Milchleistung hin gezüchtet – häufig auf Kosten ihres Wohlbefindens. Sie leiden unter der Trennung von ihren Kälbern und ihnen steht oft ein kurzes, leidvolles Leben in der Milchindustrie bevor. 1995 gab eine Milchkuh jährlich im Durchschnitt noch 5.400 Liter Milch. Diese Zahl ist bis 2020 auf 8.250 Liter gestiegen. Dieser immense Leistungsanstieg stellt eine enorme Belastung für die Tiere dar. Viele von ihnen erkranken mit nur wenigen Jahren. Spätestens, wenn ihre Milchleistung nachlässt und sie völlig ausgemergelt sind, werden sie getötet.

Währenddessen werden ihre Kälber, die nicht zur Nachzucht und später selbst als Milchkühe dienen, meist ins Ausland verkauft und dorthin transportiert. Das liegt daran, dass die Nachfrage in Deutschland nicht groß genug ist, um alle hier geborenen Tiere zu mästen und zu schlachten. Im jungen Alter von 28 Tagen sind sie laut Gesetz bereits transportfähig. Ungefähr 680.000 von ihnen werden jährlich, getrennt von ihren Müttern, in die Niederlande, nach Italien, Spanien, Belgien, Frankreich oder Polen gebracht. Dort sterben sie ein paar Monate oder eineinhalb Jahre später im Schlachthof – oder werden nach Nordafrika oder in den Nahen Osten weitertransportiert.

Vor allem männlicher Nachwuchs ist aus wirtschaftlicher Sicht nicht rentabel, da er keine Milch gibt und nicht so viel Fleisch ansetzt wie Kälber anderer Rassen. Viele von ihnen sterben bei der Geburt oder kurz danach. Insgesamt wird die Zahl zusätzlich verendeter Kälber in Deutschland auf 600.000 pro Jahr geschätzt.  Diese hohe Zahl kommt zustande, weil oft keine Geburtshilfe mehr geleistet wird und schwache sowie kranke Kälber nicht immer die notwendige Versorgung erhalten. Da sie keinen Profit einbringen, kümmert sich niemand um sie.

Wenn Du Dich ausführlich über das Leid der Tiere in der Milchindustrie informieren möchtest, dann schau gerne in DU UND DAS TIER, das Magazin des Deutschen Tierschutzbundes. Darin blicken wir hinter die Kulissen und berichten von den Zuständen, die Kälber beim Transport in andere Länder erleiden müssen und wie Milchkühe an den Rand ihrer körperlichen Kapazitäten getrieben werden.

 

3. Milchprodukte aus „artgerechter Haltung“ sind tierfreundlich.

Die Tiere in der Landwirtschaft werden gesellschaftlich und wirtschaftlich als sogenannte Nutztiere betrachtet. Dabei vergessen wir oft, dass sie fühlende Lebewesen sind, die leben möchten. Auch wenn tierische Produkte wie Milch und Käse aus „artgerechter Haltung“ stammen, gehört es zur Wahrheit dazu, dass die Tiere am Ende für unseren Genuss sterben müssen. Ist das ethisch zu rechtfertigen? Unsere geliebten Heimtiere würden wir schließlich auch nicht essen, ganz gleich, ob sie es bei uns gut hatten oder nicht. Allein der Gedanke daran würde die meisten Menschen empören, während die Einstellung zu Rindern, Schweinen, Hühnern und Co. oft genau diese ist: Sie dienen unserem Nutzen. Der Begriff für diese unterschiedliche Bewertung verschiedener Tierarten heißt „Speziesismus“. Die vegane Bewegung betrachtet alle Lebewesen als gleichwertig. Daher sind tierische Produkte für sie tabu.

4. Jeder Käse ist vegetarisch.

​​​​​Schlechte Nachrichten für Vegetarier*innen: Käse ist leider nicht immer vegetarisch. Grund dafür ist das oft enthaltene tierische Lab. Dabei handelt es sich um ein Enzym, das aus dem Magen junger Kälber gewonnen wird. Lab spaltet das Milcheiweiß, sodass der Nachwuchs die Muttermilch verdauen kann. Die Industrie nutzt das Enzym, um die Milch zu verdicken und daraus Käse zu machen. Meist kommt dabei das Lab von Kälbern zum Einsatz, aber auch das von Ziegen und Schafen. Der Konsum von Käse ist oft also nicht nur ein Beitrag zur Milch-, sondern auch zur Fleischindustrie. Schließlich entnehmen Produzent*innen das tierische Lab toten Kälbern.

Neben der tierischen Variante gibt es auch mikrobielles Lab. Dieses gewinnen Hersteller*innen aus Pilzen oder Bakterien und es ist meist vegetarisch. Doch nicht immer: Bei der Produktion kommt in manchen Fällen Blut-Albumin aus tierischem Blut zum Einsatz. Dieser Bestandteil stammt von toten Tieren. Wer sich vegan ernährt, muss sich über solche Aspekte der Industrie keine Gedanken machen, denn veganer „Käse“ kommt ohne tierische Bestandteile aus.

 

 

5. Menschen brauchen Kuhmilch, um genug Kalzium zu erhalten.

Seit Jahrzehnten versucht die Werbung uns das Bild der gesunden Kuhmilch zu verkaufen. Im Vordergrund steht hier vor allem Kalzium: Die Industrie vermittelt stets den Eindruck, der knochenstärkende Mineralstoff sei nur in Kuhmilch enthalten. Dabei ist er auch in ganz anderen, unscheinbaren Lebensmitteln zu finden. Wusstest Du, dass die Bioverfügbarkeit von Kalzium aus Mineralwässern genauso gut wie die aus Milch ist? Der Fachbegriff beschreibt eine Messgröße, die besagt, in welchem Umfang der Stoff uns tatsächlich in unserem Körper zur Verfügung steht. In Supermärkten findest Du außerdem zahlreiche mit Calcium angereicherte Pflanzendrinks, die Studien zufolge ebenso gut abschneiden. Wer gerne Gemüse isst, hat zudem doppelt Glück: Denn es schmeckt nicht nur lecker, sondern manche Sorten können auch mit einem hohen Kalziumgehalt überzeugen. Gegarter Brokkoli kann pro Portion, die 110 Gramm wiegt, 120 Milligramm aufweisen. Gegarter Blattspinat schlägt pro Portion, also 210 Gramm, mit 310 Milligramm Kalzium zu Buche und gegarter Grünkohl beinhaltet pro 160 Gramm 280 Gramm des Nährstoffs.

6. Veganer „Käse“ schmeckt nicht und ist teuer.

​​​​​​Geschmack ist individuell – was den einen schmeckt, finden die anderen nicht lecker. Für viele Menschen ist veganer „Käse“ kein ausreichender Ersatz, um auf tierischen Käse verzichten zu können. Doch die Bandbreite an pflanzlichen Alternativen ist mittlerweile viel größer als noch vor ein paar Jahren – und die Branche entwickelt immer wieder neue Kreationen. Schon lange schmecken vegane „Käse“scheiben nicht mehr nach Kokosöl pur, sondern haben sich den Wünschen der Kund*innen angepasst. In den Läden sind beispielsweise Alternativen auf Basis von Mandel oder Hafer zu finden, die im Geschmack sehr mild sind. In Kombination mit Kräutern und Gewürzen wie zum Beispiel Bockshornklee oder Pfeffer sowie Pilz- und Gemüsesorten wie Trüffel und Chili bieten die neuen Kreationen etwas für jeden Geschmack. Auch das Angebot an pflanzlichen „Camembert“- und „Mozzarella“-Sorten wird immer größer. Zwar kann sich nicht jede*r alle Marken leisten, doch viele Discounter haben die Preise veganer Alternativen denen der tierischen Produkte inzwischen angeglichen.

Darüber hinaus kannst Du auch selbst in der Küche Gerichte zubereiten, die Käse ähneln. Unser veganer „Mozzarella“ auf Basis von Cashewkernen beispielsweise überzeugt auf jeder Grillparty und bei jedem Buffet. Auch pflanzliches „Käse“fondue oder Grilled „Cheese“ Sandwich sowie vegane „Käse“soße sind möglich. Eine besonders wichtige Zutat in der veganen „Käse“küche sind Hefeflocken. Diese verleihen jedem Gericht eine würzige Umami-Note. Weitere Möglichkeiten, wie Du selbst vegane „Käse“rezepte zubereiten kannst, findest Du hier.

 

7. Ersatzprodukte für Milch, Käse und Joghurt sind immer hochverarbeitet.

Die Annahme, vegane Produkte seien voller Chemie, hält sich hartnäckig. Tierische Produkte hingegen gelten als natürlich. Dabei sagt die vermeintliche Natürlichkeit eines Produktes nichts darüber aus, ob es gesund oder dessen Konsum ethisch vertretbar ist. Giftige Pflanzen sind natürlich, sie zu essen, wäre aber tödlich. Oft vergessen wir, dass viele der Lebensmittel, die uns heute zur Verfügung stehen, verarbeitet sind: Fermentieren und Räuchern sind beispielsweise chemische Prozesse, die sowohl bei tierischen als auch veganen Produkten zum Einsatz kommen. Sie haben eine lange Tradition und machen Lebensmittel wie Gurken, Kimchi und Kraut haltbar. Auch die meisten Obst-, Gemüse- und Getreidesorten sind Endprodukte einer langen Züchtungsgeschichte und somit „unnatürlich“. Betrachten wir zudem die Herstellung von Fleisch, Milch und Eiern, so fällt auf, wie ungerechtfertigt der schlechte Ruf pflanzlicher Alternativen ist. Schließlich hat die industrielle Tierhaltung nichts mit Natürlichkeit zu tun: Tiere werden auf Hochleistung gezüchtet und die Ausmaße ihres Wachstums könnten von ihren wild lebenden Vorfahren nicht weiter entfernt sein – um nur einen Aspekt zu nennen. Vor allem aber existiert kein Tier, um von uns gegessen zu werden. Aufgrund des Mangels an Alternativen war das für die Menschheit jahrhundertelang normal, doch heutzutage steht den meisten Menschen hierzulande alles zur Verfügung, was sie für eine ausgewogene pflanzliche Ernährung benötigen. Ersatzprodukte können Teil davon sein, müssen sie aber nicht.

8. Ich könnte niemals auf Käse verzichten.

​​​​​​An diesem Punkt war vermutlich jede*r Veganer*in, bevor sie aus ethischen Gründen vegan wurde. Denn mit jeder Wahl unserer Mahlzeiten entscheiden wir als Konsument*innen über andere – die Tiere. An jedem Stück Käse hängt ein Leben, was viele beim Verzehr dieses verarbeiteten Produkts leider vergessen. Während es für einige unvorstellbar scheint, auf Käse zu verzichten, haben die Tiere kein Mitspracherecht. Hätten sie die Möglichkeit, sich zu äußern, wären sie sicherlich dagegen, für unseren Konsum genutzt zu werden. Schließlich wollen auch sie leben. Ein Stück Käse ist also viel mehr als nur ein Produkt, denn wenn unsere Wahl auf tierische Lebensmittel fällt, hat dies Auswirkungen auf andere. Unsere eigenen Freiheiten, das zu essen, was wir wollen, endet dort, wo die anderer beeinträchtigt werden – oder? Ist das Leben einer Kuh weniger wert als unser Genuss? Zudem bedeutet vegan zu leben keineswegs Verzicht. Ganz im Gegenteil: Wer offen für neue kulinarische Erlebnisse ist, wird pflanzliche Alternativen schnell kennen- und lieben lernen. Es gibt viele Möglichkeiten, eine käsige Note in vegane Gerichte zu bringen oder veganen „Mozzarella“, „Frischkäse“, „Camembert“ und viele weitere Sorten selbst herzustellen oder ganz einfach zu kaufen. Der Markt entwickelt sich immer weiter und das Potenzial von Pflanzen ist unendlich. Beides ist gleichzeitig möglich: Genuss und Tierschutz.

 

Von Melanie Frommelius, Redakteurin beim Deutschen Tierschutzbund