Wenn wir an sogenannte Nutztiere denken, so fallen uns Honigbienen vermutlich nicht als Erstes ein. Doch neben Rindern, Hühnern, Schweinen und Co. werden auch sie wirtschaftlich genutzt. Ihr Honig ist ein begehrtes Gut, das für viele Menschen zu einem gedeckten Frühstückstisch oder Desserts dazugehört. Allerdings erfüllt dieses tierische Produkt, das in den Regalen aller Supermärkte zum Kauf bereitsteht und auch in der Medizin und Kosmetikprodukten zum Einsatz kommt, ursprünglich einen anderen Zweck: Honig ist für die Bienen da. Hinter der süßlich klebrigen Masse steckt ein unvorstellbar großer Kraftakt, den Honigbienen durch die strategische und genau getaktete Zusammenarbeit leisten. Fast nie bekommen wir die Gelegenheit, diese faszinierenden Tiere bei ihrem Schaffen zu beobachten – umso spannender ist es, sie und ihre beeindruckenden Verhaltensweisen näher kennenzulernen.
Bienen gehören zu den sogenannten Hautflüglern, auch Hymenoptera genannt. Im alltäglichen Sprachgebrauch unterscheiden wir vor allem zwischen solitär lebenden Wildbienen und der im Verband lebenden Honigbiene. Honigbienen sind überaus soziale Lebewesen, die nicht dazu imstande wären, alleine zu überleben. Aus diesem Grund sind sie Teil des sogenannten Biens. Dabei handelt es sich um einen Superorganismus, der sich aus den drei Bienenwesen Bienenkönigin, Arbeiterin und Drohn sowie den Waben zusammensetzt. Angeführt wird das Bienenvolk von der Königin, die auch den Namen „Weisel“ trägt. Sie ist das einzige voll entwickelte Weibchen und dementsprechend ist nur sie fortpflanzungsfähig. Mit ihrer Position im Bienenstaat sind wichtige Aufgaben verbunden: Zum einen ist sie dafür verantwortlich, Eier zu legen und für königlichen Nachwuchs zu sorgen. Zum anderen organisiert sie mithilfe ihrer Pheromone, also ihren Duft- und Geschmacksstoffen, unter anderem das Treiben im Bien und lässt die Arbeiterinnen wissen, welche Biene gerade gebraucht wird.
Die vielen Aufgaben der Arbeiterin
Diese Arbeiterinnen haben eine große Bandbreite an Aufgaben, die sie im Laufe ihres Lebens nacheinander übernehmen. Im Sommer tummeln sich rund 30.000 bis 50.000 von ihnen in einem Bienenstock – im Winter sinkt die Zahl auf ungefähr 10.000 bis 15.000 Tiere. Sie sind zwar ebenfalls weiblich, doch wegen ihrer unvollständig entwickelten Geschlechtsorgane sind sie nicht fortpflanzungsfähig. Auf sie warten dennoch zahlreiche Herausforderungen – schließlich kostet das Aufrechterhalten eines komplexen Bienenstaates viel Energie und jede Biene muss mit anpacken. Die Arbeiterin beginnt ihr Leben als Putzbiene, die ihre eigene sowie weitere Brutzellen säubert, damit diese bereit für neue Eier der Königin sind. Zudem ist die Jungbiene für die Temperaturregulierung an den Brutwaben zuständig. Indem sie ihre Flugmuskeln zusammenzieht, erzeugt sie Wärme oder nutzt ihre Flügel als Ventilator, um kühlere Luft von außen in den Bienenstock hineinzufächeln. Wie die Arbeiterin, von der sie aufgezogen wurde, kümmert auch sie sich bereits nach wenigen Lebenstagen um den Nachwuchs. Denn dann entwickeln sich in ihren Oberkieferdrüsen die Futtersaftdrüsen, welche das sogenannte Gelée royale produzieren. Während die Arbeiterinnenlarven nur anfangs damit gefüttert werden, erhält die Königinnenlarve dieses wertvolle Sekret, bis sie schlüpft und darüber hinaus ihr Leben lang.
Zwischen ihrem zehnten und 17. Lebenstag hat sich die Flugmuskulatur der Arbeiterin durch die Ventilation der Brutzellen so gut ausgebildet, dass das Tier fliegen kann. In dem Alter beginnt sie ihre Tätigkeit als Baubiene. Ihre Futtersaftdrüse, die sie noch als Amme benötigte, bildet sich zurück und weicht den Wachsdrüsen, die sich nun an ihrer Bauchunterseite entwickeln. Mithilfe dieser produziert die Biene jeweils bis zu vier ungefähr einen Milligramm leichte Wachsplättchen. Diese verwendet das fleißige Insekt, um beim Wabenbau mitzuhelfen. Bei diesem Kraftakt verbraucht die Biene viel Energie, sodass sie auf den eingelagerten Honig als Nahrung angewiesen ist. Zusätzlich fallen Aufräumarbeiten an, bei denen die Arbeiterin tote Bienen oder andere Fremdkörper aus dem Bienenstock entfernt. Sie transportiert diese außerhalb der Behausung und lernt ihre Umgebung auf diese Art zum ersten Mal kennen. Erreicht das Tier seinen 17. bis 22. Lebenstag, übernimmt es die Aufgabe einer Wachbiene. Wie ihr Name suggeriert, kontrolliert sie den Eingang des Nests und tastet anfliegende Bienen mit ihren Fühlern ab. Der Geruch der jeweiligen Biene verrät ihr, ob es sich um einen Eindringling oder um ein dazugehöriges Tier handelt. Mitglieder eines Bienenstaates tragen auf ihrem Haarkleid den gleichen Geruch, der durch die Pheromone der Königin gebildet wird.
Ihre Funktion als Sammlerin übernimmt die Arbeiterin ab ihrem 23. Lebenstag. Bis zu ihrem Tod fliegt sie dann hinaus, um Nektar und Honigtau, also zuckerhaltige Ausscheidungsprodukte verschiedener Insekten, zu sammeln. Auch Pollen, Propolis – auch Kittharz genannt – und Wasser trägt sie in ihrer Honigblase, die bis zu 60 Milligramm fasst, zurück in den Bienenstock. Schon unterwegs vermischt die Arbeiterin ihre Erträge mit ihren Körpersäften – nach ihrer Heimkehr beginnt sie schließlich gemeinsam mit anderen Bienen richtig mit der Honigproduktion. Sie tragen die Säfte von Zelle zu Zelle und reichern diese mit Spurenelementen und Enzymen an, während sie die Masse eindicken. Größtenteils nehmen die Bienen den angereicherten Nektar direkt von anderen Bienen auf. Eine Arbeiterin gibt ihn ab und die nächste leckt ihn auf, bis der Honig reif ist. Erst dann lagern sie ihn in einer Wabe ein und verschließen ihn mit einem luftundurchlässigen Wachsdeckel. Während der Reifung des goldenen Safts verändern sich die Rohstoffe Nektar und Honigtau: Der Gehalt an Wasser nimmt ab und dafür nehmen Enzyme, Aminosäuren und andere bieneneigene Substanzen zu, die in ihrem Speichel enthalten sind.
Ein Hochzeitsflug mit Mission
Natürlich besteht ein Bienenstaat nicht ausschließlich aus Weibchen – auch wenn diese einen beträchtlichen Teil der Population und der Arbeit übernehmen. Ohne die Drohnen – die männlichen Bienen – wäre die Fortpflanzung nicht möglich. Sie leben nur während der Vermehrungsphase zur Blütezeit etwa von Mai bis August, wenn im Bienenstock Hochkonjunktur herrscht und neue Arbeiterinnen sowie Königinnen herangezogen werden. Dann gesellen sich unter die Weibchen 500 bis 1.500 Drohnen, die von den Arbeiterinnen gefüttert werden müssen. Die Männchen gehen nicht auf Nahrungssuche und haben auch keinen Stachel – ihre Tätigkeit beschränkt sich auf die Paarung mit einer jungen Königin, die vorzugsweise auf sogenannten Drohnensammelplätzen stattfindet. Dort ereignet sich der „Hochzeitsflug“ und ungefähr zehn verschiedene Drohnen begatten die junge Königin, die so viel Sperma in ihrem Körper speichert, dass es für ihr gesamtes Leben reicht. Nach dem Akt hat der Drohn seine Aufgabe erfüllt und stirbt. Seine Lebensdauer beträgt 20 bis 50 Tage. Die Königin setzt die Fortpflanzung fort und kehrt in den Bienenstock zurück. Dort legt sie ihre Eier und sorgt für Nachwuchs.
Es kann nur eine Königin geben
Die Vermehrung von Bienenvölkern findet in der Natur zudem über das „Schwärmen“ statt. Hat ein Bienenvolk seine maximale Größe erreicht, fliegt die Königin mit einem Teil des Schwarmes aus, um an einem neuen Ort zu nisten. Dieses Spektakel findet jeden Sommer statt, nachdem die Bienenkönigin zwischen Mai und Juli in sogenannte Weiselzellen Eier gelegt hat. Dort wächst ihre Nachfolgerin auf und übernimmt nach ihrer Geburt die Position der alten Königin. Nach drei Tagen schlüpfen Larven, die durch die Fütterung mit Gelée royale einen enormen Wachstums- und Entwicklungsschub erhalten – die perfekten Voraussetzungen, um die neue Anführerin zu werden. Keine andere Honigbiene lebt so lang wie die Königin, die eine Lebensdauer von drei bis fünf Jahren erreichen kann. Bienen, aus denen normale Arbeiterbienen oder Drohnen werden sollen, erhalten nur am Anfang Gelée royale und zum Schluss nur Pollen und Honig.
Vergehen weitere fünf Tage, beginnen die Königinnenlarven, sich zu verpuppen und die Arbeiterinnen verschließen die Zellen. Zu diesem Zeitpunkt beginnt ein Teil der Arbeiterinnen das bevorstehende Ausschwärmen mit der bisherigen Königin vorzubereiten. Sie saugen ihre Honigblase mit Honig voll, damit sie, bis ihre neue Unterkunft gefunden ist, mit genug Nahrung ausgestattet sind. Nach weiteren acht Tagen schlüpft die erste Prinzessin. Die Arbeiterinnen töten für gewöhnlich die übrigen Königinnenlarven, weil es nur eine Königin im Bienenstock geben kann.
Tierliebe fängt beim Essen an
Das hochkomplexe Leben der Honigbienen ist nicht nur faszinierend, sondern sichert das Überleben der emsigen Insekten. Nutzt die Industrie Honig und Gelée royale für den menschlichen Konsum und schlägt daraus Profit, leiden die Tiere zwangsläufig und sind nicht mehr dazu in der Lage, ihren natürlichen Bedürfnissen nachzugehen. Mit einer veganen Ernährungs- und Lebensweise kannst Du einen Beitrag leisten, um Honigbienen zu schützen. Schließlich gibt es zahlreiche pflanzliche Alternativen für Honig, mit denen Du leckere Desserts zaubern und Dein Frühstück versüßen kannst. Veganen „Honig“ kannst Du ganz einfach aus saisonalen Blüten selbst herstellen oder auch in fast jedem Supermarkt sowie online käuflich erwerben.
Weitere Informationen zu den wichtigsten Zutaten einer pflanzlichen Ernährung und passende Rezepte findest Du in „Tierschutz genießen – Die Vorratskammer“ und „Tierschutz genießen – Die Vorratskammer Rezepte“. Die Broschüren stehen Dir hier zum kostenlosen Download zur Verfügung. Auf unserer Rezeptseite sowie in dem Kochbuch „Tierschutz genießen“ des Deutschen Tierschutzbundes und „Tierschutz genießen – Das Backbuch“ findest Du außerdem sowohl herzhafte als auch süße Inspirationen, die ohne Tierleid auskommen und dafür voller leckerer Zutaten sind.
Von Melanie Frommelius, Redakteurin beim Deutschen Tierschutzbund