Acht Mythen zum Thema Fleisch

„Der Mensch braucht Fleisch.“ Oder? Viele Menschen vertreten nach wie vor die Meinung, Tiere seien für unsere Ernährung da. Wir sehen das anders und klären die gängigsten Mythen zum Thema Fleisch auf.

1. Menschen haben schon immer Fleisch gegessen.

Ein häufiges Argument gegen die vegane Ernährungsweise ist, dass die Menschheit sich nur durch den Fleischkonsum so weit entwickeln konnte. Allerdings zeigen Studien, dass unsere Vorfahren neben Fleisch auch zu großen Teilen Früchte, Blätter, Nüsse und Insekten verzehrten. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Wissenschaftler*innen, die unsere Entwicklung nicht rein auf den Konsum von Fleisch zurückführen. Es existieren verschiedene Hypothesen, welche die Bedeutung von Fleisch infrage stellen. Viel wichtiger ist zudem die Tatsache, dass wir jetzt kein Fleisch mehr benötigen. Heutzutage ist für uns nicht mehr relevant, was unsere Vorfahren gegessen haben. Solange wir unseren Kalorien- und Nährstoffbedarf decken, können wir wunderbar ohne tierische Produkte auskommen. Somit entfällt die Notwendigkeit, Tiere für unser Überleben zu töten und zu essen.

 

2. Tiere sind dafür da, gegessen zu werden.

Oft stellen wir Menschen uns über die Tiere und argumentieren, dass sie für unseren Verzehr existieren – schließlich wurden sie dafür gezüchtet. Doch diese Betrachtungsweise ist äußerst einseitig und anthropozentrisch. Der Begriff beschreibt, dass Menschen sich in den Mittelpunkt stellen. Denn zusätzlich zu uns gibt es zahlreiche eigenständige und fühlende Lebewesen auf diesem Planeten, die ebenso wie wir Bedürfnisse, Interessen und ein Recht auf ein Leben frei von Ausbeutung und Misshandlung haben. Tiere verfügen wie wir über komplexe Emotionen wie Freude, Angst, Schmerz und Leid und viele Tierarten leben in sozialen Strukturen. Auch in Bezug auf Insekten gewinnt die Wissenschaft immer mehr Erkenntnisse über ihr Empfindungsvermögen. Aus ethischer Sicht besteht kein Unterschied zwischen Tieren und Menschen, der legitimiert, dass wir sie ausnutzen. Abgesehen davon, dass die Tötung von Tieren für Nahrung ihr Interesse am Leben missachtet, verursachen die Praktiken in der Tierhaltung immenses Leid. Diese werden nach der Mast, während der sie binnen kürzester Zeit enorm an Gewicht zulegen, geschlachtet. Meist müssen sie extremen Platzmangel, überfüllte Ställe und den Mangel an Beschäftigungsmöglichkeiten aushalten. Auch ihr Transport zum Schlachthof und ihr Tod sind meist mit Stress, Angst und Schmerzen verbunden. Es ist unsere moralische Pflicht, dieses System zu hinterfragen und nicht länger zu unterstützen.

3. Fleischprodukte aus „artgerechter Haltung“ sind tierfreundlich.

Wer bereits den ersten Schritt geht und die industrielle Tierhaltung kritisch hinterfragt, kommt in manchen Fällen zu dem Schluss, Fleisch aus Bio- oder „artgerechter“ Haltung sei die tierfreundliche Alternative. Das Argument ist hier, der Konsum von Produkten aus „artgerechter Haltung“ sei vertretbar, da die Tiere ein „gutes Leben“ haben und mit ausreichend Platz auf der Weide leben können. In der Tat erhalten die Tiere in zertifizierten Bio-Betrieben oft mehr Auslauf und leben unter besseren Bedingungen als ihre Artgenossen in der konventionellen Tierhaltung. Jede Verbesserung des aktuellen Status quo stellt einen wichtigen Schritt für den Tierschutz dar und jede*r Mensch, der tierische Produkte aus besserer Haltung konsumiert, setzt ein erstes wichtiges Zeichen. Doch die Idylle aus der Werbung entspricht leider nicht immer der Realität. Und unabhängig davon, wie die Tiere vorher gelebt haben, bleibt die ethische Frage bestehen: Ist es zu rechtfertigen, dass sie für unseren Genuss sterben müssen? Ganz gleich, ob unser Hund, unsere Katze oder unser Kaninchen bei uns ein schönes Leben hatten – niemals würden wir ihnen schaden oder sie gar töten. Der Gedanke daran jagt den meisten Haustierbesitzer*innen vermutlich sogar einen Schauer über den Rücken. Wir nutzen sie nicht aus, weil wir sie lieben. Im Gegensatz dazu beschreiben wir Kühe, Schweine, Hühner und Co. mit dem Wort „Nutztier“ treffend zu unserer Einstellung zu diesen Lebewesen: Wir bewerten sie ganz anders als Heimtiere und betrachten sie als Produkte. Der Begriff dafür ist Speziesismus.

 

4. Menschen brauchen Fleisch, um gesund zu sein.

Um sich vollwertig ernähren zu können, benötigen Menschen keine tierischen Produkte, sondern alle essenziellen Nährstoffe. Pflanzliche Lebensmittel statten den Körper grundsätzlich mit allem aus, was er braucht. Bis auf eine Ausnahme: Bei einer veganen Ernährung musst Du Vitamin B12 ergänzen. Oft wird dies als Gegenargument gegen den Veganismus genutzt – dabei ist es keineswegs ungesund, zu supplementieren. Das Vitamin über tierische Produkte aufzunehmen ist zudem nicht unbedingt natürlicher. Schließlich bekommen unter anderem Schweine und Geflügel Vitamin B12 zugefüttert, da sie den Stoff selbst nicht in ausreichender Menge herstellen können. Zu den kritischen Nährstoffen gehört unter anderem auch Jod. Dieses ist aber beispielsweise in jodiertem Salz enthalten. Dieses ist kostengünstig in jedem Supermarkt erhältlich und steht bei vielen Menschen sowieso in der Vorratskammer.

Proteine werden im Rahmen einer veganen Ernährung ebenfalls oft als kritische Nährstoffe betrachtet. Dabei sind sie ohne Probleme in pflanzlicher Nahrung zu finden. Insbesondere Bohnen, Linsen, Samen, Nüsse und Sojaprodukte wie Tofu und Tempeh strotzen vor Eiweiß. Aber auch Gemüsesorten wie Brokkoli, Sprossen und Blattgemüse können den wichtigen Nährstoff liefern. Verschiedene Studien konnten zudem zeigen, dass zwischen Athlet*innen, die sich vegan oder omnivor, also mit pflanzlichen und tierischen Produkten, ernähren, keine signifikanten Unterschiede bestehen. Bei Unklarheiten ist es dennoch wichtig, Dich an Deine Ärztin oder Deinen Arzt zu wenden.

5. Vegane „Fleischprodukte“ schmecken nicht und sind teuer.

Menschen haben ganz unterschiedliche Geschmäcker: Das fängt schon in der Kindheit bei dem Widerwillen an, Spinat zu essen. Auch im Erwachsenenalter haben wir kulinarische Vorlieben. Das beschränkt sich nicht auf eine bestimmte Ernährungsweise. Auch wer sowohl pflanzliche als auch tierische Produkte isst, mag bei weitem nicht jedes Produkt. Dementsprechend schmecken Dir sicherlich auch nicht alle veganen Alternativen. Die Bandbreite an pflanzlichen „Fleischprodukten“ ist mittlerweile aber so groß, dass jede*r den präferierten Geschmack, die richtige Konsistenz und die perfekte Marinade für sich finden kann. Der Markt entwickelt sich immer weiter und kreiert mittlerweile Produkte, die oft gar nicht mehr von dem tierischen Gegenstück zu unterscheiden, aber tierfreundlich sind. Ob „Bratwurst“, „Steak“, „Schnitzel“, „Nuggets“ oder „Hack“ – die Liste könnte ewig weitergehen. Die Basis ist immer unterschiedlich: Du hast die Wahl zwischen Soja-, Erbsen-, Weizenprotein und vielen weiteren innovativen Alternativen.

Da viele Discounter ihre Preise veganer Produkte denen der tierischen Version inzwischen angeglichen haben, sind vegane „Fleischprodukte“ für die meisten Menschen erschwinglich. Außerdem kannst in der Küche selbst kreativ werden und beispielsweise Dein eigenes Pilz„schnitzel“ oder Pattys aus Kichererbsen machen. Das ist nicht nur günstig, sondern auch unglaublich lecker. Betreibst Du gerne etwas mehr Aufwand, dann probiere unsere Rezepte für vegane „Rouladen“ und vegane „Ente“ aus. Weitere Möglichkeiten, wie Du selbst vegane Fleisch-Alternativen zubereiten kannst, findest Du hier.

 

6. Ersatzprodukte für Fleisch sind immer hochverarbeitet.

Pflanzlichen Alternativen für Fleisch, die im Super- oder Biomarkt erhältlich sind, stellen einen wunderbaren Einstieg in die vegane Ernährungsweise dar. Leider begegnen viele Menschen ihnen mit Skepsis und nehmen an, sie seien voller Chemie und im Gegensatz zu tierischen Produkten hochverarbeitet. Fleisch gilt hingegen als natürlich. Dabei rückt in den Hintergrund, dass die Herstellung von Fleisch, Milch und Eiern nichts mit Natürlichkeit zu tun hat. Die Tiere in der industriellen Tierhaltung werden auf Höchstleistungen gezüchtet und zu unnatürlichen Leistungen gezwungen, was schlimme Krankheiten sowie Schmerzen verursachen kann. Mit ihren wilden Vorfahren haben sie kaum mehr etwas gemein. Wer einen Blick auf die Zutatenlisten von Fleischprodukten wirft, stellt schnell fest, wie lang diese oft sind. Wurstwaren wie Mortadella oder Würstchen sind auch hochverarbeitet, strotzen vor Zusatzstoffen und erinnern in ihrer Form gar nicht mehr an das Tier.

Gleichzeitig finden wir bei einem Spaziergang im Wald viele giftige Pflanzen und Pilze, die zwar natürlich sind, uns aber schaden würden. Das heißt „natürlich“ ist nicht gleich gut. Zudem sind fermentierte Produkte wie Sauerkraut und Kimchi auch verarbeitet. Ebenso wie das Räuchern kommt Fermentation sowohl bei tierischen als auch pflanzlichen Lebensmitteln zum Einsatz, um die Lebensmittel länger haltbar zu machen und ihren Geschmack zu verändern. Auch Obst-, Gemüse- und Getreidesorten entsprechen schon lange nicht mehr ihrer ursprünglichen Form: Sie wurden gezüchtet und an unsere Bedürfnisse angepasst.

Während unsere Vorfahren keine Alternativen zur Verfügung hatten und deshalb Tiere für ihre Ernährung nutzten, ist das heutzutage nicht mehr nötig. Wir sind nicht länger auf tierische Produkte angewiesen, denn den meisten Menschen hierzulande steht die gesamte Palette der Pflanzenwelt zur Verfügung. Wenn du Ersatzprodukte magst, kannst Du sie essen, aber auch ohne ist eine abwechslungsreiche vegane Ernährung problemlos möglich.

7. Ich könnte niemals auf Fleisch verzichten.

Veganer*innen begegnen oft dem Vorwurf, sie schreiben anderen vor, was sie essen sollen: „Leben und leben lassen“, „Ich könnte niemals auf Fleisch verzichten“ oder „Was ich esse, ist meine persönliche Entscheidung“ sind häufige Antworten. Dabei vergessen Menschen meist, dass nicht Veganer*innen die Ernährungsweise vorschreiben, sondern alle Menschen den Tieren diktieren, ob sie leben oder sterben dürfen. Denn nur augenscheinlich ist die Entscheidung, was täglich auf unseren Tellern landet, eine persönliche. Denn hätten die Tiere auch ein Mitspracherecht, würden sie sich mit Sicherheit dagegen entscheiden, gegessen zu werden. Veganer*innen schlagen einen anderen Weg ein. Sie respektieren das Bedürfnis der sogenannten Nutztiere, ohne Schmerzen und Leiden leben zu können. Gerade sie verfolgen das Motto „Leben und leben lassen“, indem sie tierische Produkte von ihrem Speiseplan streichen. Dabei zwingen sie niemandem etwas auf – tatsächlich sind wir frei in der Wahl unserer Nahrung. Allerdings sollten wir hinterfragen, ob wir mit dieser Freiheit jene anderer Lebewesen eingrenzen oder sie ihnen sogar ganz nehmen.

8. Wildfleisch ist besser als Fleisch aus der Intensivtierhaltung.

Neben Fleisch aus Bio-Haltung ziehen manche Menschen auch Fleisch aus der Jagd als tierfreundliche Alternative heran. Da Jäger*innen ihr „eigenes Fleisch“ selbst erlegen, unterstützen sie nicht die industrielle Tierhaltung. Zudem argumentieren sie mit der notwendigen Kontrolle von Wildtierpopulationen für die Jagd. Ihre Motivation sei der Naturschutz und die Erhaltung der biologischen Vielfalt. Und der Tierschutz sei über die „Waidgerechtigkeit“ gewährleistet. Dieser Begriff beschreibt die Regeln, die bei der Jagd zu beachten sind. In dieser Diskussion kommt der ethische Aspekt aber meist zu kurz: Zwar finanzieren Jäger*innen die landwirtschaftliche Tierhaltung nicht mit, doch auch sie tragen dazu bei, dass Tiere sinnlos sterben – und zudem auch nicht ohne Leid. Viele Tierarten werden ohne „vernünftigen Grund“ getötet. Und auch nicht jeder Schuss sitzt so, dass die Tiere schnell oder schmerzfrei sterben.

Jedes Jahr kostet die Jagd über vier Millionen Wildtiere das Leben – eine unfassbar hohe Zahl. Der Sinn, Arten wie Blässhuhn, Mauswiesel oder Türkentaube zu bejagen, erschließt sich weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick. Diese Tierarten werden rein aus Spaß getötet oder allein aufgrund der Tatsache, dass es rechtlich zulässig ist. Jäger*innen verfolgen Fuchs, Dachs oder Waschbär und andere Beutegreifer als ungeliebte Konkurrenten. Auch bei ihnen ist eine Tötung in der Regel weder zum Schutz anderer Arten noch des Ökosystems notwendig, eine Verwertung findet ebenso wenig statt. Sie landen sprichwörtlich in der Tonne. Bestimmte Jagdmethoden wie die Fallenjagd oder die Ausbildung von Jagdhunden an lebenden Tieren sind zudem absolut tierschutzwidrig.

Und auch bei der Jagd auf Tierarten, deren Fleisch tatsächlich für den menschlichen Konsum genutzt wird, kann oft von Tierschutz nicht die Rede sein: Treib- und Drückjagden bedeuten für Rehe, Hirsche und Wildschweine enormen Stress. Nicht selten werden sie nur angeschossen, flüchten und müssen in dieser Situation verharren, bis sie den „Gnadenschuss“ erhalten. Gänse, Enten und andere Vogelarten beschießen Jäger*innen „waidgerecht“ im Flug, obwohl die Verletzungsgefahr hier ungleich höher ist. Dies sind nur einige Beispiele, welche die mit Wildfleisch verbundenen Probleme drastisch aufzeigen und beim vermeintlich guten Image von Wildfleisch mitberücksichtigt werden sollten.

 

Von Melanie Frommelius, Redakteurin beim Deutschen Tierschutzbund