Schon lange versucht die Wissenschaft Pilze einzuordnen, doch ganz so einfach ist dieses Vorhaben nicht. Schließlich unterscheiden sich die sogenannten Fungi sowohl von den Pflanzen als auch von den Tieren – zugehörig sind sie zu keinem der beiden Kategorien, sondern bilden ihr eigenes Reich. Doch wie setzen sie sich von den anderen Kategorien ab? Was Pilze von den Tieren unterscheidet, ist ihr Zellaufbau: Zusätzlich zur Zellmembran besitzen sie eine feste Zellwand, die tierischen Zellen fehlt. Zwar zählten sie lange zu den Pflanzen, doch im Gegensatz zu ihnen können sie keine Photosynthese betreiben. Das heißt, sie können keine Energie aus Sonnenlicht gewinnen und benötigen organische Nährstoffe. Genau wie Tiere ernähren sie sich also „heterotroph“.
Übersetzt bedeutet das, dass sie Meister des Zersetzens sind. Sie zerlegen alles, woraus sie Nährstoffe ziehen können – beispielsweise totes Holz, aber auch lebendige Organismen, die sie in dem Prozess schädigen. Diese Vorgehensweise findet mithilfe ihrer Enzyme statt, doch auch ihre unterirdischen Fäden – Myzel genannt – helfen bei der „Jagd“ auf Nährstoffe. Mit dem Pilzgeflecht nehmen sie Nährstoffe und Wasser aus tiefen Bodenschichten auf, die sie dem Baum liefern, wie zum Beispiel Mineralien und Phosphat. Doch nicht umsonst: Vom Baum erhalten sie im Gegenzug Produkte aus der Photosynthese, wie zum Beispiel Zucker. Ein brillantes Tauschgeschäft – diese symbiotische Verbindung heißt Mykorrhiza. Für die Ökologie, also die Beziehung von Lebewesen untereinander, sind Pilze demnach von zentraler Bedeutung und spielen eine wichtige Rolle im Kreislauf der Nährstoffe.
Welche Pilzsorten gibt es?
Pilz ist nicht gleich Pilz – die jeweiligen Vertreter ihrer Spezies finden ihre jeweils eigene Rolle in der kulinarischen Welt. Der wohl bekannteste und hierzulande am häufigsten verzehrte Pilz ist der Champignon. Er ist sowohl angebraten als auch roh ein Genuss und ist beispielsweise in Salaten, asiatisch angehauchten Bowls, als Füllung in Crêpes oder im Dürüm, als Champignon-Cremesuppe, im veganen Grilled „Cheese“ Sandwich, zusammen mit Maronen als Füllung in einem veganen Wellington oder im Rührtofu äußerst lecker. Zum ersten Mal im 17. Jahrhundert in Frankreich kultiviert, ist er zum wahren Hit in der gutbürgerlichen Küche geworden. Schnitzel mit Champignon- oder Pfifferling-Rahm-Soße ist ein klassisches Gericht dieser Kategorie, doch für den Genuss dieser Kochkunst muss kein Tier leiden. Schließlich bieten Austernpilze mit ihren feinen Fasern die perfekte Konsistenz für pflanzlichen Fleischersatz. Nicht nur vegane Pilz„schnitzel“ auch „Fisch“-Filets und andere Gerichte, die vielen Menschen ohne tierische Produkte undenkbar scheinen, sind damit ganz problemlos auch tierfreundlich möglich. Doch auch als Zugabe in Salaten sind sie köstlich und verleihen ihnen einen wunderbaren Biss. Der große Bruder des Champignons, der Portobello, ist eine Pilzart, der ihm ganz ähnlichsieht, und sich aufgrund seiner enormen Größe wunderbar als Burger-Patty, unkonventionell als Pizza-Grundlage oder ebenfalls als veganes „Schnitzel“ eignet.
Kräuterseitlinge hingegen verwandeln sich in schmackhafte vegane „Meeresfrüchte“. Das liegt an ihrer gummiartigen Konsistenz, die angebraten oder paniert und mit Algen kombiniert eine maritime Brise in Deinen veganen Alltag haucht. Steinpilze gehören zu den Edelpilzen und sind oft getrocknet erhältlich. Demnach musst Du sie vor dem Gebrauch zunächst einweichen. Daraus kannst Du anschließend köstlich-aromatische Steinpilzsoße zubereiten. Shii-take-Pilze kommen aus Asien und sind für ihren kräftigen Geschmack bekannt. Sie finden vor allem in der japanischen, chinesischen und koreanischen Küche Verwendung. Getrocknet und frisch kommt diese Sorte in unserem köstlichen Rezept vor, das an vegane Pho angelehnt ist. Diese Suppen sind echte Umami-Explosionen und beinhalten gleich drei verschiedene Pilzsorten. Darüber hinaus gibt die asiatische Küche eine Vielzahl spannender Pilzsorten her, die Du in asiatischen Supermärkten finden kannst. Beispiele dafür sind die feinen Enoki-Pilze, die sich kaum von den Nudeln in einem Gericht unterscheiden lassen, und Mu Err-Pilze. Probiere Dich durch und experimentiere in der Küche mit verschiedenen Zutaten und Kombinationen.
Wer es besonders exquisit mag, wird den intensiv-nussigen Geschmack von Trüffeln zu schätzen wissen, der an Knoblauch erinnert. Längst ist der Pilz nicht mehr nur zu hohen Preisen verfügbar, sondern auch in Supermärkten, unter anderem als Trüffelöl, erhältlich. Besonders beliebt ist diese Pilzsorte heutzutage als vegane Trüffelmayo, aber auch als Füllung in pflanzlichen Ravioli und als Topping auf veganer Pizza.
Doch nicht nur auf dem pflanzlichen Speiseplan sind Pilze eine vielseitige Basis für allerlei Gerichte. In dem Naturwunder steckt auch ästhetisches Potenzial, denn Pilze lassen sich auch zu veganer und nachhaltiger Kleidung verarbeiten. Genau genommen spielt das Myzel bei der Herstellung von Pilzleder die Hauptrolle: Produzent*innen züchten das Material umweltschonend im Labor auf Nebenprodukten aus der Land- und Forstwirtschaft, wie zum Beispiel auf Sägemehl. Mithilfe einer konstant warmen Temperatur und einer hohen Feuchtigkeit sowie Kohlenstoffdioxidkonzentration kann das Pilzmyzel so die typischen fadenförmigen Strukturen ausbilden. Nachdem es ausreichend gewachsen ist, kann das biologische Material geerntet, gepresst und getrocknet werden. Das dabei entstehende Produkt ähnelt in der Beschaffenheit herkömmlichem Leder, aber im Gegensatz zur Produktion von der tierischen Variante sind bei diesem Prozess sehr wenige Ressourcen notwendig und vor allem müssen dafür keine Tiere sterben.
Pilze als echte Multitalente zu bezeichnen, ist nicht übertrieben – sie revolutionieren nicht nur die vegane Ernährungs-, sondern die gesamte pflanzliche Lebensweise und helfen uns dabei, tier- und umweltfreundlich zu leben. Dabei ist das Potenzial längst nicht ausgeschöpft: „Mit der entsprechenden Unterstützung der Politik könnte die Forschung noch viel mehr bewirken und noch unentdeckte Fähigkeiten der Fungi könnten unseren Planeten zu einem besseren Ort für uns Menschen und die Tiere machen“, so Dr. Isabel Knößlsdorfer, Referentin für Veganismus beim Deutschen Tierschutzbund. Wenn Du Deinen Beitrag dazu leisten möchtest, dann kannst Du Dich hier über die vegane Ernährung informieren. Wenn Du nicht genau weißt, welche Gerichte Du mit Pilzen zaubern kannst, findest Du auf unserer Rezepteseite, in unseren Vorratskammern und in „Tierschutz genießen“, dem Kochbuch des Deutschen Tierschutzbundes, zahlreiche leckere Inspirationen.
Von Melanie Frommelius, Redakteurin beim Deutschen Tierschutzbund